Buber und Freunde


Buber , Martin
Bilder von Gut und Böse





Muth, Cornelia
Zwischen Gut und Böse

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Ich und Du - das Buch

Montag, 8. Mai 2006

Weihnachten ist ja nun ein paar Tage vorbei

und wir werden neue Formen der persönlichen Begegnung ausprobieren bzw. intensivieren.

Sollen wir nicht aber doch vielleicht den Rest des Buches gemeinsam lesen ?

Montag, 19. Dezember 2005

Teil III, Abschnitt 14 – die zwei Arten der Einsamkeit

Kann der Verkehr mit sich selbst zu einem verkehr mit dem Geheimnis führen ? Buber könnte, nach dem gesagten, sicher sofort aufschreien: niemals. Dafür ist das Thema aber zu ernst und ist es zu offenkundig, dass wohl jeder auch schon gute "Erfahrungen" im Alleinsein hatte. Das wiedreum hat das Buch bislang auch noch nirgends ausgeschlossen.

Beziehung ist erst möglich, so Buber, wenn wir uns vom (erfahrenden, gebrauchenden) Umgang mit den Dingen lösen. Wenn das also Einsamkeit bedeutet, oder in diese Richtung führt, so ist diese nötig. Wenn sie Reinigung für den Eintritts ins Allerheiligste bedeutet - oder einfach für Beziehung, so ist sie nötig. Wer aber Beziehungen (im hier gemeinten Sinne) aufkündigt, die anderen verläßt, und das als wertvolle Einsamkeit sieht, kann an kein Geheimnis heranreichen: er ist unverbunden. Wer sich in Selbstbezogenheit feiert und meint, Gott in sich zu haben, entdeckt das gleiche "Geheimnis," wie wenn er lang genug in den Spiegel schaut - allenfalls die Eigenschaften des Spiegels. Nach Buber wohnt Gott in uns und umfaßt uns auch gleichzeitig - aber wir haben ihn nie in uns. Ein feiner - aber sehr zentraler Unterschied.

Der Verbundene bringt Gottes Wirklichkeit eine menschliche entgegen. Und das ist unsere Aufgabe - das ist das Geheimnis, in dem die Begegnung stattfindet. Und auch diese "Einsamkeit" ist nötig: Wir reden mit ihm nur, wenn es in uns nicht mehr redet. Ich würde hinzufügen: wir hören ihn nur, wenn es in uns nicht mehr redet. Aber dieses Hören ist auch die Voraussetzung des Redens in der Beziehung, von dem Buber unablässig spricht.

Mittwoch, 2. November 2005

Teil III, Abschnitt 13 – Die Redlichkeit der Widerrede

Teil III, Abschnitt 13 – Die Redlichkeit der Widerrede
Die Sprache ist das Verbindende zwischen uns Menschen, sagt Buber. Aber nicht so, wie das vielleicht banal verstanden werden könnte, sondern verbunden werden die Beziehungsmomente durch die Sprache. Die Beziehungsmomente sind für sich zunächst nur punktuelle Ereignisse, könnten unverbunden da stehen. Die Sprache gehört zwingend zur Es-Welt und ist als solche nicht Teil der Beziehungsmomente. Die Sprache ist jedoch geeignet, von einem Beziehungsmoment zum nächsten zu tragen, von einem soviel hinüber zu tragen, dass der nächste schon vorbereitet wird. Ja, die Beziehungsmomente sind eingetaucht in die Sprache – was ganz und gar nicht bedeutet, dass sie angefüllt wären mit viel Gerede, sondern dass gerade um sie herum das Gespräch liegt – aus Rede und Gegenrede in Redlichkeit und Präsenz.
In Gottes Antwort offenbart sich das All als Sprache – und noch ein paar Sätze, die intensiv zu glücklicher Resonanz aufrufen – ich bin gespannt, was von Euch kommt !

Donnerstag, 6. Oktober 2005

Teil III Abschnitt 12 – Beziehung und Sprache

Kosmos, Eros und Logos als Bezeichnungen für die Es-Welten, die jeweils der Beziehungswelt mit der Natur, den Menschen und den geistigen Wesenheiten gegenüberstehen. Ohne die ewige Beziehung sind diese Beziehungen nicht vorstellbar. Interessant, dass Buber wieder zu den „Sphären“ zurückkehrt, also die Beziehungen zu Natur, Menschen und geistigen Wesenheiten scharf von einander trennt. Spannend, dass er das genau und ausschließlich an der Sprache fest macht:
- mit der Natur haftet die Beziehung an der Schelle der Sprache. Wort haben (noch) keine Bedeutung, obgleich es nahe liegt nach Worten zu suchen und sie auch zu verwenden;
- mit den Menschen wird die Beziehung sprachgestaltig, Sprache wird also so wichtig, dass sie die Beziehung prägt, die Beziehung schon die Gestalt der Sprache annimmt, also wesentlich von ihr geprägt wird und sich über sie ausdrückt;
- mit den geistigen Wesenheiten ist die Beziehung sprachlos, nicht etwa spielt Sprache dort keine Rolle mehr, sondern in dieser Beziehung ist Sprache überhaupt nicht da. Aber diese Beziehung wird sprachzeugend. Es entsteht aus ihr der Drang sich auszudrücken, Sprache zu schöpfen und zu benutzen – aber nicht „in“ dieser Beziehung, sondern aus ihr heraus – also insbesondere in der Beziehung mit einem Menschen oder wohl auch in der Eswelt.

Die Wie auch immer das Verhältnis zur Sprache in den einzelnen Beziehungssphären ist, es ist Pforte in die Präsenz des Wortes. Ansprache ? Zwiesprache ?! Jedenfalls Gegenwärtigkeit, in der das Wort zum Urgrund weist. Nebenbei noch ein schönes Beispiel für den Unterscheid zwischen Stummheit und Schweigen, in deren Mitte sozusagen das liebende Sprechen des Menschen liegt.

Es sind wohl nicht so sehr die Linien der Beziehungen zu unterschiedlichen Menschen, die sich im ewigen Du treffen, es sind wohl die Linien der Beziehungen in den genannten drei unterschiedlichen Sphären, die sich dort treffen. Das erklärt mir, warum sie nicht parallel in die gleich Richtung weisen. Außerdem weist es darauf, dass das ewige Du nicht allein über die Verfolgung der Beziehungswelt einer Sphäre zu finden ist. Zumindest läßt es sich leichter ausmachen, wenn aus allen drei Spähren Linien nach „hinten“ weisen.

Schließlich: Der Mensch kann jede Beziehung der Gegenwart entheben. Ist sie nicht mehr gegenwärtig, wirksam oder wirklich, befinden wir uns wieder in der Eswelt. Aber das ist eine Fähigkeit, ein nach den vorangegangenen Abschnitten wichtiges Potential des Menschen (das ihn wohl vom Rest der Schöpfung unterscheidet).

Mittwoch, 5. Oktober 2005

Teil III Abschnitt 11 – Die Privilegien der reinen Beziehung

Hier geht es also um die besonderen Gesetzmäßigkeiten der Beziehung mit Gott. In ihnen sind die Gesetzmäßigkeiten der Eswelt aufgehoben – was heißt das ?
Was die Gesetzmäßigkeiten der reinen Beziehung sind lesen wir zunächst nicht. Eine der Folgen dieser Gesetzmäßigkeiten der reinen Beziehung soll aber das Kontinuum der Du-Welt sein. Eine Ich-Du-Beziehung fließt hier ein als isolierter Moment der Beziehung. Als Folge der Gesetzmäßigkeiten der reinen Beziehung wird sie Teil eines Kontinuums der Duwelt, des Weltlebens der Verbundenheit. Die Mitte, in der sich die verlängerten Linien der Ich-Du-Beziehungen schneiden ist das ewige Du. In dieser Mitte hat die Duwelt ihren Zusammenhang: das Bild wird offensichtlich. Hier in diesem Fokuspunkt liegt wohl auch das Kontinuum. Ich glaube, die Linien bilden eigentlich nicht einen Schnittpunkt, denn sie vereinigen sich hier, treffen sich, gehen aber dahinter nicht wieder auseinander: es gibt kein dahinter, es gibt zumindest nicht so etwas wie davor auch dahinter. Aber wo die Linien sich treffen, das ist auch etwas anderes als ein Punkt: es ist auch mehr als ein Raum. Es ist alles – und ein Kontinuum.
Außerdem liegt hier der „Dreh- und Angelpunkt“ (pivot). Kraft der Gesetzmäßigkeiten der reinen Beziehung, also aus diesem Kontinuum, in dem sich die Linien treffen, kann der Geist die Eswelt gestalten. Entsteht hier eine Hierarchie der Du- und Eswelt? Ja, wenn die Eswelt nicht die Duwelt durchdringt und verwandelt. Und so ist es wohl: die Duwelt hat die Eswelt als Grundlage, kann ohne sie nicht existieren, aber die Schöpfungskraft liegt nicht in der Eswelt. Jedenfalls sehen wir hier, in dem was Buber beschreibt, einen Kraftquell für uns, die wir in der Eswelt wirken. Wir werden von dort aus gehalten und können Kraft schöpfen.
Umkehr als das Wiedererkennen der Mitte. Auf ein Wiedersehen. So habe ich auch schon Beziehung erlebt: als das unendliche Sehen, das irgendwann zu Ende geht und zum Wunsch des Wiedersehens führt. Die Wesenstat dieser Umkehr ist wohl eine des Menschen, gehört aber wohl auch zu den Gesetzmäßigkeiten der reinen Beziehung. Aus diesem Kontinuum aller Ich-Du-Beziehungen entsteht eine Welle, erhebt sich aus dem Fluss und schafft in unserer Welt alles immer wieder neu.
Und die Eswelt ist nicht allein als quasi tote Grundlage nötig. Sie gehört als eine Seite der Polarität dazu – eben als Objekt, ohne das das Subjekt kein Subjekt wäre, nicht wirken und noch noch nicht einmal existieren könnte. Sind wir nicht auch Teil der Eswelt? Es sind nicht wir, die zwischen Du- und Eswelt hin- und herwandern, sondern etwas über uns hinaus: die Beziehungs-, die Schöpfungskraft, der Geist, Fokus. Besser beschreibt es Buber im Bild der kontinuierlichen Zu- und Abwendung. Das Meer kommt und zieht sich wieder zurück. Werden und Sein, Entlassen und Bewahren, Freigabe und Bindung – nicht Gegenteil, sondern sich gegenseitig bedingend. Das ist noch einfach und verständlich (unser Wissen um die Zwiefalt) – das dahinter, das Urgeheimnis kennen wir nicht, davon haben wir nicht mal eine Ahnung.

Dienstag, 4. Oktober 2005

Teil III Abschnitt 10

Was bedeutet, dass jede wirkliche Beziehung in der Welt ausschließlich sei ? Das zeigt sich in der Gegenüberstellung mit der Beziehung zu Gott (war zuvor schon ausdrücklich von der „Beziehung zu Gott“ die Rede ?): Beziehung zu Gott ist gleichzeitig einschließlich und ausschließlich. Hingegen gibt es bei den „Beziehungen in der Welt“ immer noch „das Andere,“ grundsätzlich gleichwertige, wenn auch nicht gleichartige, jedenfalls aber in der wirklichen Beziehung nicht enthaltene. Buber verweist wieder auf das „richtige Leben.“ Keine Theorie oder wie es sein sollte, sondern so, wie es „wirklich ist.“ Andererseits schwingt wie immer auch das „Wirken“ mit – im Gegensatz zu dem also, was nicht wirkt. „Beziehung“ wirkt aber doch per definitionem – was meint er also ?
Sollen wir uns daran stören, dass Buber dem Wortlaut nach die eigentliche Abgrenzung zwischen „in der Welt“ und „mit Gott“ ansiedelt ? Die Auflösung liegt wohl darin, dass in der Beziehung zu Gott „das All begriffen ist,“ während die Beziehung zum Gegenüber nur das All des Gegenübers begreift – sie oder ihn in ihrer Ganzheit.
„Aber in der vollkommenen Beziehung“ – da ist wohl wieder von der Beziehung zu Gott die Rede. Nicht etwa mein Ich umfaßt da mein Selbst – es ist mein Du, das es umfaßt. Wenn mein Du auch hier mein Gegenüber ist und Ich und Selbst nicht gegensätzlich oder auch nur weit auseinander sind, ist das wohl kein Wunder. Was ist aber hier „mein Du“ ?
Viele Fragen an diesen Abschnitt

Sonntag, 4. September 2005

Teil III Abschnitt 9 – Bubers Katze

Katzen sind schon was besonderes. Haustiere bringen aber auch die Gefahr mit sich mehr Menschliches in sie hineinzutun, als tatsächlich in ihnen ist. Ich werde also diese Beschreibung des Ich und Du einer echten Katzenfreunde überlassen müssen. Meine Beziehung zum Haustier ist dadurch geprägt, dass es wirklich Tier sein darf und ab und zu auch ins Haus, während ich der Mensch bin. Und dann können wir uns mit einem gewissen Maß an Respekt begegnen. Und es stimmt, dass wir uns Haustieren und ihrem Lebensausdruck naturgemäß eher nähern können, als anderen Lebewesen. Bäume halten zwar wenigstens still, wenn man mit ihnen spricht, aber dafür zwinkern sie nicht unbedingt mit den Augen, wenn man etwas zu ihnen sagt, anders als Katzen oder Pferde, eher ähnlich den Ameisen, die ich auch noch nicht zwinkern sehen konnte. Und dennoch kann ich eine Haltung zumindest zur Existenz der Ameise finden – eine Ich-Du Beziehung ist das wahrscheinlich nicht, selbst wenn sie auf mir rumturnt.

Der Rest des Abschnitts nimmt einen neuen Ansatz, die allumfassende Beziehung in Worte zu fassen. Wir sind nicht immer da. Wir sind also die beschränkten, denen vor allem die Sinne fehlen – und vor allem das, was man nicht richtig verstehen kann, kann man auch nicht beschreiben. Dante in seiner Beschreibung seiner Sehnsucht für Beatrix hat für viele Mystiker das Idealbild der Gottessehnsucht geprägt. Ich bin sehr skeptisch, was die Sehnsucht anbelangt, weil Sehnsucht allzu leicht Beziehung ersetzt, Droge als Surrogat für Realität. Wenn ich das richtig verstehe, ist Ella die höfliche, neutrale Anrede in der 3. Person Singular, während das Voi dem englischen You entspricht, als für heutige Verhältnisse auch noch Distanz erkennen läßt, aber vergleichsweise locker. Dem Ella entspricht das Er und Es. Auch in der Sehnsucht kann ich also Er, Sie oder Es sagen. Allegorie („das eine für das andere sagen“), der Ausdruck mittels Platzhalter ist da mehr als angemessen – wenn nur Beziehung möglch oder sogar da ist. Aus einer Richtung kommt sie ja ohnehin, also ist Beziehung hier, an dieser „allumfassenden Stelle“ nach Buber immer da. Wenn wir dann auch noch Du sagen, dann ändert das an Gott ebensowenig, wie wenn wir Er, Sie oder Es sagen (schon erstaunlich, dass Buber das Sie nicht erwähnt). Die Wahrheit ist gewortet, wie – von sterblichem Sinn. Hm, wir haben einen uns möglichen Ausdruck für das, was ist gewählt. Ja ?

Samstag, 3. September 2005

Teil III – Abschnitt 8 (Buber ein Philosoph?)

Die religiöse Situation – das Dasein in der Präsenz. Auch hier wieder fällt es leichter, sich erst einmal über diesen Buberschen Hinweis zu freuen: Die religiöse Situation, das ist das Dasein in der Präsenz. Ja !
So, und nun, wodurch ist die gekennzeichnet ? Sie bzw. das Dasein in der präsenz ist durch eine Widersprüchlichkeit (so verstehe ich jedenfalls Antinomik), gekennzeichnet, die unauflösbar ist.
Wenn Buber dann weiter von „der These“ spricht, meint er nicht die soeben aufgestellte These über die religiöse Situation, sondern er meint, so wie ich es verstehe, jeden Satz (=These) über Gott und über das Dasein in der Präsenz.
Wer also einen Satz selbst sagt oder als richtig akzeptiert und die Gegenthese (einen gegenteilig oder anders lautenden Satz zum gleichen Thema) verwirft, wirkt gegen die geistige Grundlage, den Sinn der Situation. Dass er ihn dabei zerstört, ist eher unwahrscheinlich – aber er beschädigt sich selbst in der Situation. Wer allerdings eine Synthese zu denken versucht, der zerstöre nun wirklich den Sinn. Das liegt wohl daran, dass These und Antithese nicht künstlich sind, sondern noch aus der Beziehung mit dem ewigen Du stammen – die Synthese ist aber strukturell reine Ich-Es-Situation. Hingegen könnte der Inhalt den die Synthese hat auch etwas sagbares, nicht sinnwidriges enthalten – zu dem es dann auch eine Antithese geben mag – aber eben nicht unter dieser Voraussetzung ihres Zustandekommens.

„Der Sinn der Situation ist …“ – ich habe den Eindruck, dass wir hier einen sehr wichtigen Satz über Buber lesen, ein Selbstzeugnis seines Ringens (Jakob am Jabbok?).

Dann versucht Buber zu erklären, warum das keine Philosophie sei, wovon er spricht und wie er „arbeitet“ bzw. lebt. Die Philosophie versucht die Welt besser und besser zu verstehen – meine ich jedenfalls. Ich glaube, jeder der Aussagen über die Welt macht, wie sie ist, muss sich an dem messen lassen, was die Philosophie schon erreicht hat. Buber aber verweist auf die Ich-Es-Welt und dass daher einige Gesetze der Philosophie für ihn nicht akzeptabel sind bzw. dass er über andere, bessere Erkenntnisquellen verfügt, als die herkömmliche Philosophie. Eine ähnliche Position nimmt er in diesem Abschnitt wohl auch gegenüber der Theologie ein: er hat einfach selbst bessere Erkenntnisquellen, als Jahrhunderte der Dogmatik entwickeln konnten. Offensichtlich sehr problematisch – etwa für den Pabst.

Es gibt nur eine Welt in der wir dieses eine Leben leben und wir können uns nicht helfen, indem wir es in verschiedene Wirklichkeiten aufspalten. Insbesondere darf nicht das, was in der einen von geschaffenen, künstlichen Wirklichkeiten gilt, in der anderen nicht gelten – vor allem nicht „im wirklichen Leben.“ Sätze, die sogleich wieder an Fragen der Moral (was tun, wie richtig leben) erinnern. Es kommt auf mich an – wirklich auf mich – und zwar hier und heute. Kein Abschnitt zu einfach überlesen.

Mittwoch, 10. August 2005

Teil III, Abschnitt 6

Das wesentliche Element in einer Beziehung – ein Gefühl, dann auch noch Abhängigkeits- oder Kreaturgefühl. Interessant, dass Buber diese von ihm zitierte Anschauung nicht sogleich weit zurückweist, erscheint es doch fraglich, ob Gefühle wirklich das wesentliche Element einer Beziehung sein können – und dann vor allem Abhängigkeitsgefühle. Aber ja, doch: wir hatten es ja gelesen: ohne Du kein ich. Schon da eine offensichtliche Abhängigkeit. Und mehr noch so natürlich im Schöpfungszusammenhang. Aber, so Buber, das sei eben bei weitem nicht alles. Also – was ist es noch, das die „vollkommene Beziehung“ charakterisiert ?

Dann zunächst etwas zu den Gefühlen. Sie hätten alle ihren Platz in einer jeweils bestimmten polaren Spannung. Sie vollziehen sich in der Seele. Soweit anders als und nicht Teil von Beziehung, die zwar auch zwischen ist, aber auch soviel drum herum einschließt, dass es wohl mehr als eine polare Spannung sein wird (na vielleicht doch einem Magnetfeld vergleichbar ?). Anders aber jedenfalls die absolute Beziehung, die alle relativen einschließt und sie alle vollendet. Dort gäbe es – anders als die Behauptung der Psychologen, die tiefe Religion auf ein abgegrenztes Gefühl reduzieren - kein solch abgegrenztes Gefühl – und vielleicht die Auflösung der polaren Spannung ?

Ja, so ist dann wohl der dritte Absatz zu verstehen. Die Seele, das Sinnesorgan für Gefühle, nimmt die vollkommene Beziehung zwar noch bipolar wahr, aber als Coincidentia Oppositorum – wo also die Polen zusammenfallen. Wenn sie zusammenfallen überdecken sie sich auch – kein Wunder, dass dann der eine nicht gesehen werden kann - laut Buber aufgrund der jeweiligen religiösen Grundeinstellung: er geht also davon aus, dass mit dieser religiösen Grundeinstellung Gott gesehen werden kann, aber nicht das Ich – da bin ich mir nicht sicher ... Vielleicht will er aber sagen, dass die religiöse Grundeinstellung oft überhaupt verhindert, Gott zu sehen. Das könnte ich viel eher verstehen, ist aber nicht leicht öffentlich zu vermitteln ...

Und nun geht es mit der direkten Ansprache des Lesers los: „Du...“ Unvermittelt wird nun das kreatorische Gefühl auch noch eingefügt – folgerichtig, wenn wir an das Zusammenfallen der Pole denken und dazu erinnern, dass es sich um ein Gefühl handelt – einen Begleitumstand in der Seele (?!). Interessant, dass er „Du hast Dich ... gefühlt“ sagt.

Im nächsten Absatz Rhetorik: weißt Du nicht, dass Gott Dich braucht... Das Bild von einem Gott, der Dich (und mich) braucht. Nein, Hinweise aus dem Erleben einer Gottesbeziehung und einem langen Ringen um diese Beziehung. Alles, was hier steht ist nicht vorstellbar, nicht einmal sagbar ohne das Bewußtsein, der Sicherheit dieser Beziehung. Gott braucht Dich zu eben dem, was der Sinn Deines Lebens ist. Nein, Gott gebraucht Dich nicht, Gott braucht Dich. Ah, hier wird Schöpfung wirksam – Beziehung, was sie eigentlich bedeutet, wahrnehmbar.

Beziehung zum Baum, ich will dahin noch mal zurückgehen, das ist nicht ein Gefühl der Verliebtheit in den Baum und oh, wie ist er schön und gibt auch keine Widerworte. Die Beziehung zum Baum war eher die Wahrnehmung mit allen Sinnen und das wirken lassen, wie der Baum an mir wirkt wie ich an ihm (nur anders). Buber sagte, Beziehung ist auch, wenn die eine Seite gar kein Bewußtsein dafür hat. Beziehung wirkt. Ich kann auch an dem anderen arbeiten, ohne es selbst zu merken. So – und noch viel mehr – sind wohl die Sätze über die Schöpfung zu verstehen, an der wir teilnehmen. Wir müssen teilnehmen, es ist unser Schicksal. Wir können uns so verhalten, dass wir ihm nicht gerecht werden, aber aussteigen können wir nicht.

Opfer heißt: „Dein Wille geschehe.“ Wenn Buber fortfährt „…durch mich, den Du brauchst…,“ meint er wohl nicht diejenigen, die herrschen wollen und sich vordrängen, Bischof zu werden, Kanzler oder was auch immer… Das sind wohl die, die Magie üben, Künste im Leeren. Wahre Beter und Opferer sind die, die das Du Wort sprechen und vernehmen. Sie vernehmen ihrerseits das Du – bishin zur Anrede durch Gott – das gebet wird erhört. Beziehung besteht aus „Vernehmen“ – dem Vernehmen mit allen bekannten und unbekannten Sinnen…

Und dann wird die Spannung aus dem Anfang des Abschnitts aufgelöst: die reine Beziehung ist nicht als Abhängigkeit zu verstehen. Das Gefühl ist da, ja, es führt aber in die Irre. Hier wohl wieder eine relativ deutliche Kritik an dem, was üblicherweise mit „religiöser Grundeinstellung“ verknüpft wird.

Dienstag, 26. Juli 2005

Teil III, Abschnitt 5 – Wer suchet – der verschließt schon die Augen

Es gibt also einen Du-Sinn beim Menschen. Dieser Sinn strebt seinem Ewigen Du zu. Kann der Sinn vom Mensch getrennt sein ? Buber sagt weiter oben wohl, dass Gefühl und Mensch durchaus nicht eins seien. Sinn und Mensch sind zwar nicht ein und dasselbe, aber ich sehe nicht, wie sie sich trennen lassen könnten. Kann der Sinn allein/selbst streben ? Vielleicht, wenn wir ihn als die Essenz des Menschen verstehen, das was nicht träge zurück bleibt.
Aus den Beziehungen zu allem einzelnen Du widerfährt diesem Sinn eine Enttäuschung. Eine Enttäuschung ist eine Klärung, ein Schritt näher zur Wahrheit – nichts verwunderliches also an dieser Stelle. Spannender das Wort „widerfährt“ – das bedeutet wohl, der Sinn erleidet etwas, gegen das er sich nicht wehren kann und was seine Richtung verändert. Es ist dann wohl diese Enttäuschung, die ihn seinem ewigen Du zu streben läßt. Über die Beziehungen zu allem einzelnen Du hinaus aber nicht hinweg. Statt hinaus, paßte „hindurch“ besser zu dem Linien-Bild. Auch hier wäre der Schwerpunkt falsch gesetzt, wenn wir uns an hinaus und hindurch zu lange aufhalten würden. Entscheidender scheint mir das Wort „alle“ zu sein – alle im umfassenden und gleichzeitigen Sinn, ist wohl gemeint – die Synästhethik oder Zusammenwahrnehmung, wie es beiläufig so schön hieß ...

Streben ist nicht suchen, auch das ist klar. Und diesem klaren Etwas stellt Buber dann wieder eine große, eher schwer zu fassende Einsicht zur Seite. Das scheint mir Bubers Rhetorik zu sein: immer wieder mit dem klaren und einfachen zu beginnen, das jeder kennt und dem jeder zustimmen kann. Dann schreibt er also weiter, es gäbe „in Wahrheit kein Gottsuchen, weil es nichts gibt, wo man ihn nicht finden könnte.“ Da steht nicht: Gott ist überall oder Gott ist in/hinter allem, Gott ist versteckt, oder man kann Gott finden. Da steht eher, ich könnte ihn überall finden. Ob ich ihn denn irgendwo finde, steht auf einem völlig anderen Blatt (dem der Beziehungen…), und hat wenig mit der Suchbewegung zu tun. Ich glaube, es hat doch etwas mit einer Suchbewegung zu tun, wenn die nämlich gleichzusetzen ist mit dem Streben des Beziehungssinns über alle die Beziehungen zu allem einzelnen Du hinaus. Nein, das können wir gleich wieder verwerfen, denn streben ist nicht suchen, wie oben schon als banal festgestellt. Vor allem aber sagt Buber mit diesem Satz explizit, dass man nicht suchen kann, wie nach etwas, das nicht zu sehen ist, das nicht da ist, das sich versteckt hat, das verloren ist ... all das ist Gott genau nicht. Das Wort Suchen erweckt also so völlig falsche Assoziationen, dass es für diese Zwecke gleich abgetan werden kann.

Das Streben wird dann weiter sehr schön erläutert: „...wie wenn einer seines Weges geht und nur eben wünscht, es möchte der Weg sein...“

„Gewärtig, nicht suchend, geht er seines Weges;“ da steckt das Warten drin – wiederum die Achtsamkeit (guardare). Gelassenheit und Berührung – das entspringt aus der Gewärtigkeit, das schafft Beziehung, das hilft. Gefunden hat er, wenn er über alles hinaus, aber nicht hinweg ist, dann ist sein Herz dennoch dem Einzelnen nicht abgewandt...

Der Weg ist Finden – nicht Suchen. Die alte asiatische Weisheit: wer suchet, der findet nicht, ist daher zwar nicht direkt falsch, aber auch nicht richtig – also keine Weisheit. Dieses Finden, von dem hier die Rede ist, hat nichts mit Suchen zu tun. Suchen verhindert Finden nicht absolut – aber Finden kommt sicher nicht vom Suchen, eher vom frei sein vom Suchen.

Gott läßt sich weder mittels Deduktion noch mittels Induktion beweisen – er läßt sich überhaupt nicht beweisen. Er ist nach Buber weder „Teil von,“ noch gibt es etwas anderes, dass Teil von ihm wäre, er steckt nicht in... und etwas anderes steckt nicht in ihm. Er „ist“ nur und ist damit nicht „aussagbar“ (beschreibbar, definierbar, möglicher Gegenstand einer Aussage) – aber ansprechbar. Wunderbar !

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