Stille ist nicht im schalltoten Raum zu finden !
Aber das Hören enthält andere Möglichkeiten, eine andere Kraft in sich als dieses bei sich zu bleiben und eine vertraute Welt um sich herum aufzubauen. Luigi Nono hat das in seinem Vortrag "Der Irrtum als Notwendigkeit" von 1983 angedeutet: " Die Stille. Hören ist sehr schwierig. Sehr schwierig, in der Stille dien Andern zu hören. Andere Gedanken, andere Geräusche, andere Klängen, andere Ideen. Wenn man hören kommt, versucht man oft, sich selbst in den Andern wiederzufinden. Seine eigenen Mechanismen, System, Rationalismus wiederzufinden, im Andern. Statt die Stille zu hören ... Das ist eine Mauer gegen Ideen, gegen das, was man heute noch nicht erklären kann ... Man liebt es, immer wieder dasselbe zu hören, mit jenen kleinen Unterschieden, welche erlauben, die eigene Intelligenz zu beweisen ..."
Das Hören also als Annehmen des Unvertrauetn, des Neuen, des Fremden, als Überschreiten der eigenen Grenzen, ja als Weg in die Freiheit! Es fällt auf, daß der Text von Nono mit dem Hinweis auf die Stille beginnt. Stille ist doch das Unhörbare - mit welchem Recht kann sie ein Vorwort zum Hören sein? Nun ist es eine sicher auch Nono bekannte Tatsache, daß es, wenn Menschen beteiligt sind, Stille gar nicht geben kann. Das war die Erkenntnis von John Cage, der sich, um Stille zu erleben, in den schalltoten Raum der Harvard-Universität begeben hatte und selbst dort zwei Lauten, einem hohen und einem tiefen, begegnete: dem Geräusch des Blutkreislaufs und der Bewegung der Nerven. Solange Leben präsent ist, gibt es keine Stille; es hat seinen Sinn, daß man Stille mit Friedhofsruhe assoziiert.
Weil Hören ein Phänomen des Lebens ist, kann es also im genauen Sinn gar kein Hören auf die Stille geben. Stille kann deshalb keine Lautlosigkeit um mich herum sein, sondern musß als innere Stille verstanden werden, als eine Qualität des geistes, der mit nichts beladen ist, nichts wünscht und erwartet, sondern offen ist für das, was immer kommen mag. Stille in diesem Sinn ist gleichbedeutend mit Empfangsbereitschaft. Anders als im spekulativen Hören, in dem der Geist, was ihn schon erfüllt, in Beziehung setzt zu demwas ihm jetzt begegnet, ist der stille Geist eine leere Projektionsfläche, auf dem sich das, was jetzt geschieht, ohne Modifikationen abzeichnen kann. Nur so kann das Andere, von dem Nono spricht, das Fremde und Unvertraute, in Erscheinung treten, denn es ist nichts da, an das es sich anpassen müßte oder das das Fremde ergreift und sich zu "eigen" macht; so kann der Geist Neues erfahren.
aus Thomas Ulrich "Reines Hören" in Lettre International 66 (Herbst 2004) S.102
Das Hören also als Annehmen des Unvertrauetn, des Neuen, des Fremden, als Überschreiten der eigenen Grenzen, ja als Weg in die Freiheit! Es fällt auf, daß der Text von Nono mit dem Hinweis auf die Stille beginnt. Stille ist doch das Unhörbare - mit welchem Recht kann sie ein Vorwort zum Hören sein? Nun ist es eine sicher auch Nono bekannte Tatsache, daß es, wenn Menschen beteiligt sind, Stille gar nicht geben kann. Das war die Erkenntnis von John Cage, der sich, um Stille zu erleben, in den schalltoten Raum der Harvard-Universität begeben hatte und selbst dort zwei Lauten, einem hohen und einem tiefen, begegnete: dem Geräusch des Blutkreislaufs und der Bewegung der Nerven. Solange Leben präsent ist, gibt es keine Stille; es hat seinen Sinn, daß man Stille mit Friedhofsruhe assoziiert.
Weil Hören ein Phänomen des Lebens ist, kann es also im genauen Sinn gar kein Hören auf die Stille geben. Stille kann deshalb keine Lautlosigkeit um mich herum sein, sondern musß als innere Stille verstanden werden, als eine Qualität des geistes, der mit nichts beladen ist, nichts wünscht und erwartet, sondern offen ist für das, was immer kommen mag. Stille in diesem Sinn ist gleichbedeutend mit Empfangsbereitschaft. Anders als im spekulativen Hören, in dem der Geist, was ihn schon erfüllt, in Beziehung setzt zu demwas ihm jetzt begegnet, ist der stille Geist eine leere Projektionsfläche, auf dem sich das, was jetzt geschieht, ohne Modifikationen abzeichnen kann. Nur so kann das Andere, von dem Nono spricht, das Fremde und Unvertraute, in Erscheinung treten, denn es ist nichts da, an das es sich anpassen müßte oder das das Fremde ergreift und sich zu "eigen" macht; so kann der Geist Neues erfahren.
aus Thomas Ulrich "Reines Hören" in Lettre International 66 (Herbst 2004) S.102
sehen - 17. Feb, 13:45