Buber und Freunde


Buber , Martin
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Muth, Cornelia
Zwischen Gut und Böse

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Donnerstag, 17. Februar 2005

Stille ist nicht im schalltoten Raum zu finden !

Aber das Hören enthält andere Möglichkeiten, eine andere Kraft in sich als dieses bei sich zu bleiben und eine vertraute Welt um sich herum aufzubauen. Luigi Nono hat das in seinem Vortrag "Der Irrtum als Notwendigkeit" von 1983 angedeutet: " Die Stille. Hören ist sehr schwierig. Sehr schwierig, in der Stille dien Andern zu hören. Andere Gedanken, andere Geräusche, andere Klängen, andere Ideen. Wenn man hören kommt, versucht man oft, sich selbst in den Andern wiederzufinden. Seine eigenen Mechanismen, System, Rationalismus wiederzufinden, im Andern. Statt die Stille zu hören ... Das ist eine Mauer gegen Ideen, gegen das, was man heute noch nicht erklären kann ... Man liebt es, immer wieder dasselbe zu hören, mit jenen kleinen Unterschieden, welche erlauben, die eigene Intelligenz zu beweisen ..."
Das Hören also als Annehmen des Unvertrauetn, des Neuen, des Fremden, als Überschreiten der eigenen Grenzen, ja als Weg in die Freiheit! Es fällt auf, daß der Text von Nono mit dem Hinweis auf die Stille beginnt. Stille ist doch das Unhörbare - mit welchem Recht kann sie ein Vorwort zum Hören sein? Nun ist es eine sicher auch Nono bekannte Tatsache, daß es, wenn Menschen beteiligt sind, Stille gar nicht geben kann. Das war die Erkenntnis von John Cage, der sich, um Stille zu erleben, in den schalltoten Raum der Harvard-Universität begeben hatte und selbst dort zwei Lauten, einem hohen und einem tiefen, begegnete: dem Geräusch des Blutkreislaufs und der Bewegung der Nerven. Solange Leben präsent ist, gibt es keine Stille; es hat seinen Sinn, daß man Stille mit Friedhofsruhe assoziiert.
Weil Hören ein Phänomen des Lebens ist, kann es also im genauen Sinn gar kein Hören auf die Stille geben. Stille kann deshalb keine Lautlosigkeit um mich herum sein, sondern musß als innere Stille verstanden werden, als eine Qualität des geistes, der mit nichts beladen ist, nichts wünscht und erwartet, sondern offen ist für das, was immer kommen mag. Stille in diesem Sinn ist gleichbedeutend mit Empfangsbereitschaft. Anders als im spekulativen Hören, in dem der Geist, was ihn schon erfüllt, in Beziehung setzt zu demwas ihm jetzt begegnet, ist der stille Geist eine leere Projektionsfläche, auf dem sich das, was jetzt geschieht, ohne Modifikationen abzeichnen kann. Nur so kann das Andere, von dem Nono spricht, das Fremde und Unvertraute, in Erscheinung treten, denn es ist nichts da, an das es sich anpassen müßte oder das das Fremde ergreift und sich zu "eigen" macht; so kann der Geist Neues erfahren.

aus Thomas Ulrich "Reines Hören" in Lettre International 66 (Herbst 2004) S.102

Teil I Abschnitt 25 – Buber lesen

Ich glaube, an diesem 12 Zeilen kurzen Abschnitt kann man ganz gut demonstrieren, was Buber lesen heißt, oder heißen kann.

Nach dem ersten Mal durchlesen, würde ich sagen, ist der Abschnitt auf Anhieb unverständlich. Also: Buber kann und will nicht auf Anhieb verständlich sein. Zum einen behauptet er, von dem zu sprechen, das teils kaum in Worte zu fassen ist. Zum anderen will er in der Ich-Du-Beziehungssituation sprechen – d.h. es kann sein, dass (er oder) der Leser die Ebene gerade verfehlt und diese Kommunikation scheitert, aber auch nicht auf einer anderen Ebene stattfindet.

Ausweg 1, den ich sehe, also: mit möglichst großer Ruhe und Entspanntheit Wort für Wort aufnehmen, sich an all das erinnern, was Buber bereits zuvor gesagt hat und die Resonanz, die es bei einem gefunden hat, sehen, was Buber „meint.“ Das ist kein „wissenschaftliches“ Verfahren, d.h. es ist mit dem Risiko behaftet, dass ich einerseits vielleicht genau den „Sinn“ finde, den Buber meinte, oder andererseits weit daneben liege – und weder erkennen noch erklären kann, was von beiden es ist und wie ich da hingekommen bin.

Ausweg 2, der auch möglich ist, ist die Bemühung mit klassischen Methoden der Textarbeit, den Text zu entschlüsseln. Vielleicht läßt sich auch Weg 1 und 2 ein Stück weit verbinden, wie auch Archäologen auch auf Intuition – will sagen: Wahrnehmung und nicht nur Analyse dessen, was der Kopf bekanntes wiederentdeckt - angewiesen sind.

Buber beginnt diesen Abschnitt also mit einer Frage, woher die Schwermut unseres Loses kommt. Woher diese Frage kommt, ergibt sich nicht, auch nicht aus den vorangegangenen Abschnitten, denn da ist zwar von Entwicklung die Rede, als dem „woher,“ aber nicht vom Los oder von Schwermut. Die Frage ist also angefüllt mit Unterstellungen, ruft also nach Gegenfragen, bzw. der Reaktion: „oh, Du empfindest also ein „Los“ und siehst dies mit Schwermut verbunden ...“

Statt sich aber auf einen derartigen Dialog einzulassen, weist Buber selbst die Frage gleich teilweise zurück und bestätigt nur den Entwicklungsaspekt – wie er sich eben auch aus dem vorangegangenen Abschnitt ergibt. Er bestätigt das aber nicht einmal wirklich, da er „wohl“ und „insofern“ sagt. „… insofern das bewußte Leben des Menschen ein urgeschichtlich gewordenes ist:“ das ist eigentlich gar keine Antwort, denn wir wissen nichts über das bewußte Leben des Menschen und ob bzw. gar inwiefern es ein urgeschichtlich gewordenes ist. Im darauf folgenden Satz behauptet er (geschickt mit dem Wort „nur“ verstärkt), die Individualentwicklung sei nur ein Abbild des Seins ins Gesamt („welthaft“) in Gestalt eines menschlichen Werdens. Interessanter Gedanke: ein (wohl scheinbares) Werden emuliert ein Sein. Nächstes Sprung – zum Geist und der Zeit. In der Tat ist der Zeitfaktor bzw. dessen Illusion in dem vorangegangenen angelegt. Der Satz könnte also additiv beginnen: „Auch der Geist...“ – das wäre allerdings falsch im Buber’schen Sinne, da es sich beim Geist eben nicht um etwas abgetrenntes handelt. Also wäre der letzte Satz dieses Absatzes auch etwa so zu lesen: „Alles und seine imaginären Teile erscheint in dem, was man für Zeit hält, als Zusammengesetztes und Entstandenes, als Ausgeburt oder Nachgeburt der Natur – richtiger ist die Natur aber eingefaßt – aber ohne strikte Abgrenzung von dem Ganzen und ohne dass der zeitliche Aspekte dabei ein Rolle spielt.“
Und dann geht Buber weiter und behauptet im zweiten Absatz dieses Abschnitts, dass der Gegensatz der Ich-Du zur Ich-Er/Sie/Es-Situation (den beiden Grundworten …) schon immer war (zeitlos ist bzw. „der Schöpfung inhäriert“ – inhärent: wörtlich „einhängend“ also soviel wie zugehörig), auch wenn er in unterschiedlichen Zeiten, Kulturen und Sprachen unter vielen verschiedenen Namen auftreten mag.

Also, dieser Abschnitt läßt sich mathematisch, grammatisch und kontextuell sicher noch weiter und besser auslegen. Nach meinem Eindruck würde ich sagen: ja, er hat seinen Zusammenhang, ist keinesfalls sinnlos oder unsinnig, wie es beim ersten Lesen erscheinen mag. Seine tiefe Bedeutung, die den Leser weiter tragen soll, erschließt sich mir nicht – dafür reibe ich mich hier zu sehr an Behauptungen. Die können erst wieder versöhnt werden, wenn ich weiterlese und merke, wie Buber es „eigentlich“ und kurzgefaßt meint – das ahne ich natürlich auch schon vor dem Hintergrund des bereits gelesenen...

Vielleich läßt sich ein Hauch von Dreieckbeziehung aufbauen, wenn das Du der Du-Baumbeziehung so be-geist-ernd dem Du der Ich-Du-Beziehung erzählt, dass eine Brücke entstehen kann, so dass eine Beziehung entsteht zwischen dem anderen Du und dem Baum.....aber das geht nur, wenn man davon ausgeht, dass sich die Aktualität, die Gegenwart der Beziehung nicht in einer limitierenden Zeit-Raum-Wirklichkeit abspielt, sondern alles ausfüllend ist. Aber vielleicht spricht genau das dagegen. Und wo ist dann das ewige Du?

Interessant finde ich, dass die Voraussetzung für die Ich-Er/Sie/Es- Beziehung die Werdung des Ichs duch Ich-Du-Beziehung ist. Buber spricht später sehr verdammend von denjenigen, die in Ich-Es-Beziehungen nur den Gebrauchswert sehen. Das sind für ihn diejenigen, die in keine Ich-Du-Beziehungen eintreten (können). Es gibt also viele Arten der Ich-Es-Beziehung, und sie unterscheiden sich in ihrer Qualität enorm auch in ihrer Wechselwirkung auf die Ich-Du- Beziehung.

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